deutſche Spruchdichtung von - Heinrich Biſchof. SonderabdruX aus „Deutſc / Arel und Aubel Druck und Verlag von Alphons Willems „= ZWVz=- -2 Wie deutſche Spruchdichtung. 27 -27R= | Heinrich Biſchoff. | Sonderabdru> aus „Deutſ<-Belgien“ I]. | 20 „ZGEZ> WW << D | ZD OE 30004 Vor beinahe fünfzig Jahren hat W. H. Riehl, einer der größten deutſchen Socialpolitiker, das Folgende ge- ſchrieben : „Es iſt cine alte ſchöne Sitte, das Haus innen und außen mit exuſten und heiteren Berſen und Sprüchen zu ſchmücken. Wo die alte Sitte des Hauſes, Volkstracht und volfstümlicher Häuſerbau bewahrt bleiben, da blüht auch meiſt ſolche Spruchdichtung noch. Dieſer Hausſchaß deutſcher Spruchverſe iſt in ſeiner Art nicht minder reich an lauterem Golde wie das eigentliche Volkslied. Jh getraute mir wol ein kleines Büchlein zuſammenzuſtellen voll ſinniger Weisheit aus dem VolkS8munde, voll beſchau- lichex und erbaulicher, naiver und drolliger Verte, die alle nux von Hausthüren und Junen- und Außenwänden deutſcher Bauernhäuſer abgeſchrieben ſein ſollten.“ Dieſe Stelle aus Riehl's ſchönem Buche „Die Familie“ hat mich auf den Gedanken gebracht, die ſchön- ſten deutſchen Sprüche, die als Juſchriften an Haus und Geräte allerlei Art verwertet worden ſind, zu einen Strauße zu binden, in der beſcheidenen Hoſſnung ei 10 Dies Haus ſteht in Gottes Hand, Er behüts vor Feuer und Brand, Vor Sturm und Waſſernot, Mit einem Worte, laß ſto wie's ſtodt. Auch der zweifelhaften Freunde des Hauſes wird wol in ſolcher Bitte gedacht : OO O Gott, bewahre dieſes Haus Daß Doktor und Afkaten (Advokaten) bleiben raus. zu den Hausſprüchen lernt man ſo ziemlich alle Nothelfer des Volkes bei Peſt, Feuer, Hunger oder Krieg und ähnlichen Gefahren kennen. Einer beſonderen Auf- merkſamkeit und Verbreitung erfreut ſich der heilige Florian, als Patron gegen Feuer, den man hundert und hundert Mal gemalt und plaſtiſch an Häuſern und Brunnenſäulen abgebildet findet, wie derſelbe ein Haus mit einem -- Guß bedeckt. Darunter ſtehen humorvolle Juſchriften wie folgende : Dies Haus ſteht in St. Florians Hand, Verbrennt es, iſt's ihm ſelbſt ein Schand. Odex : Dies Haus ſtellt ich in Gottes Hand, Da iſt es dreimal abgebrannt. Nun hab ich's dem heiligen Florian vertraut Und hoffe, daß er beſſer darnach ſchaut. Wol allzu eigennüßig klingt der ſtark verbreitete Spruch : O heiliger St. Florian Beſchütz uns, nimm dich unſer an ; Berſchone unſere Häuſer, Zünd' and're dafür an. Desgleichen, aber meiſt in ernſterer Form, werden als Schutzpatronen des Hauſes angerufen die Mutter (Gottes, der Erzengel NYeichael, der hl. Georg, Martinus, Antonius u. a. : H O Maria Jungfrau rein, Dies Haus laß dir befohlen fein. Beſchüz uns durch deine Hilf und Gunſt Vor Peſt, Krieg, Hunger, Feuersbrunſt. Unter einem Bilde des heiligen Georg liest man die Verſe : St. Georgius das FRitterbild Zeigt fich da als unſer Schild. Der Schimmel mit dem Drachen Wird ihn kennbar machen. Ein ſehr beliebtes Thema der religiöſen Hausin- ſchriften iſt auch das von der Unſicherheit und Hinfälligkeit alles irdiſchen Beſitzes : Das Haus iſt mein und doch nicht mein, Der nach mir kommt, iſt auch nicht ſein, Und wirds dem Dritten übergeben, Sv wirds ihm ebenſo ergehen. Den Vierten trägt man auc hinaus. Mein ! ſagt mir doch, weß iſt das Haus 7 Unter den Hausſprüchen weltlichen Juhalts fallen zuerſt, wegen ihrer kernigen Kürze diejenigen auf, die das Glück preiſen ein eigenes Heim zu beſitzen. Wie behaglich man ſich im eigenen Hauſe fühlt, wird in den verſchiedenſten Formen ausgedrü>kt. So heizt es 3. B. : Klein, aber mein ! Mein Neſt iſt das beſt. e Schweizer ſchreiben gewohniu«“w : (-) Eigen mein Wo kann mix baß (beſſer) geſein ? Jorddeutſchen hingegen : 12 In Nord und Süd De Welt iſt wit. Zu Oſt und Weſt Dat Hus is't beſt. Vielfach findet ſich derſelbe Gedanke in der etwas erweiterten Form von : Eigner Herd Iſt Goldes wert. Iſt er ſchon arm Iſt er doch warm. Beklagt wird der Mann, der als Mietling in eines Anderen Hauſe wohnen muß : Ein Mann der muß wohnen In anderer Leut Häuſer, Der iſt ärmer als ein Karthäuſer. So drückt der freie Mann fein Selbſtbewußtſein aus und oft noc< unmittelbarer in dem Spruch : Hier wohnt ein fröhlicher Mann Der Herrendienſt entraten kann. Nicht beſſer als in Andermanns Hauſe wohnen iſt es ein eigenes Haus mit fremdem Gelde bauen : Wer ſein Haus baut mit Anderer Habe, Der ſammelt ſich Steine zu ſeinem Grabe. Dder : Willſt du über deinen Bau nicht weinen So baue nur mit eignen Steinen. Der in den weltlichen Hausſprüchen wol am aller häufigſten wiederkehrende Gedanke iſt folgender : Wer will bauen anm der Straßen Muß die Leute reden laſſen. Cs ärgert den Bauherrn, obwol er ſich den Anſchein 13 größter Gleichgültigkeit gibt, ganz gewaltig, daß vorüber- gehende Leute vor ſeinem Hauſe ſtehen bleiben und der Eine dies, dex Andere das, daran zu mäteln haben , während doch ex um ſein eignes gutes Geld das Haus erbaut hat. In allen möglichen Spielarten begegnen wir demſelben Gedanken : Wer will bauen an der Straßen Muß die Leute reden laſſen. Doch ich bau wie mir's gefällt, Es koſtet mich mein eigenes Geld. Die zwei letzten Verſe variiren häufig : ( / « Ein jeder rede was er will, Ich wünſche jedem dreimal ſo vil. Oder : Es foſtet mich wenig oder viel Es kommt doch keiner der für mich zahlen will. Die allgemeine Jdee daß man doch Nichts Zedem zu rechte machen kann wird manchmal in recht launiger Weiſe ausgedrückt : Es wird kein Ding jo wol gemacht, Es fommt doch einer, der's veracht. Wärſt du erſt gekommen Hätt ich Rat bei Dir genommen. Mauchmal iſt auch der Hausſpruch eine Klage über dic Koſtſpieligkeit des Bauvergnügens : Das Bauen iſt ein ſchöne Luſt, Daß es ſo viel koſtet, hab ich nicht gewußt. Damit ſind oft biſſige Ausfälle gegen Maurer und Zimmerleute verbunden : Behüt uns Gott vor teurer Zeit RNor Maurer und vor Zimmerkleut. 16 den Gaſt von vornherein bitten nicht unmäßig zu trinken, nicht zu fluchen, nicht zu ſtreiten und vor Allem = nicht Ichuldig zu bleiben. Cine poetiſche Einkleidung des Wirtshausſchildes enthalten 3. B.: Unter einem gemalten Gambrinus : zm Leben Gambrinus war ich genannt Ein König in Flandern und Brabandt, Hab aus der Gerſt Malz gemacht Und das Bierbräuen erſtens erdacht ; Alſo die Bräiter dürfen ſagen Daß ſie ein König zum Meiſter haben" ; Nun komm ein anders Handwerk her Und zeige dergleichen Meiſter mehr. Unter einem Bildo, das nacheinander einen König, Biſchof, Soldat, Bauer und den Tod darſtellt : Jh regier euch alle Sc< bet für euch alle (Biſchof Jh ſtreit für euch alle (Soldat z< nähr euch alle (Batter) Tc< hol euch alle. (Tod Köniaq Unter einem aufgemalten Auge Gottes : Das Auge Gottes alles ficht Was öüffentlich und heimlich geſchieht. Es wache über dieſes Haus Und die da gehen ein und aus. Unter dem Bilde eines wilden Mannes : Wer Geld hat, komm" freudig an, Föürcht' fich nicht vor'm wilden Mann. Unter einem Schilde, das einen Wolf darſtellt : I< bin ver Wirt zum Wolf, ZIL Leite HMehretleinnl. 7 Der Wirt cr wird kein Wolf, Er wird cin Lämmlcin ſein. Unter einem Bilde darſtellend : Chriſtus und die Samariterin am Brunnen: : Und Jeſus ſprach: „Gieb mir zu trinten !“ Auf manmnigfaltigſte Art wird die gebotene Erfriſchung geprieſen und zur Einkehr eingeladen, jedoch ſelten ohne die Bemerkung, draußen zu bleiben wenn man kein Geld im Beutel hat : Beim Bockswirt iſt es hier genannt Hier kriegt man Bradel allerhand Auch Suppen, Fleiſch und Würſt daneben So daß man kann recht luſtig leben. Wer Geld hat, der geh' hier hinein, Beim Bockswirt iſt gut Vier und Wein, Wer aber keins im Beutel hat Der geh' vorbei, iſt auch kein Schad. Noc< eindringlicher mahnt cin Anderer : Willkommen, willkommen lieber Gaſt, Wenn du Geld im Säckel haſt. Haſt du Geld ſo ſelz dich nieder Haſt du keins ſo pac dich wieder. Dieſes Haus ſteht an der Sonnen Wer kein Geld hat der gehe zum Bronnen, Demn mit der Kreiden an der Wand Kann ich nicht fahren in's Weinland. Der gutmütig naive Zug, der durch dieſe Sprüche geht, verſöhnt mit dem darin zu Tage tretenden Egois mus und hat wol noch keinem Gaſte die Schwelle ver leidet. Auch giebt ſich dieſe Selbſtſucht meiſt in ſo drolliger Form kund, daß fie nur humorijtiſch ſtimmen kann : Biſt dur müde und durſtig, komm herein Mit Geld wirſt wol verſehen ſein, 18 Doch tragſt du an auf's Pumpen, Kehr ein beim Nachbar zum Lumpen. Oder in den häufig wiederkehrenden und variirenden Verſen : E53 iſt a ſo und bleibt dabei Wer morgen kommt hat Zehrung frei. = Noch ausdrucksvoller in: Die ohne Geld hier gehen ein Breche der Teuſel Hals umd Bein. E5 fehlt übrigens nicht an recht einladenden Sprüchen, die jede Lr Selbſtſucht bar, wie : Stehſt du hungrig vor der Thür, Komm herein und iß bei mir. = UndE Es freuet ſich ein Wandersmanmn Wenn er trifft ein gut WirtsShaus an, Wo Wirt und Wirtin freundlich ſein Kehrt man am allermeiſten ein. Seinem ausdrucksvollen LakoniSmus wegen erwäh nenöSwert iſt der Spruch : Freund, ſo vorbei ? =- Und ſeiner echt volfstümlichen Naivetät wegen fol- gender, der zugl;ich den Namen des Wirtes erwähnt : Gehts doch a bisl einer Herein zum Anton Neuner. Gewiß gauz unſelbſtſüchtig ſind die Sprüche, die den Gaſt von vornherein zur Mäßigkeit und zum guten Betragen im Wirtshauſe einladen : Trink, aber ſauf nicht Disputir', aber rauf nicht. k9 Eine jehr eindringliche, fromme Mahnung nicht zu ſchelten und zu fluchen iſt folgende, in vecht anmutiger, volfstümlicher Unbeholfenheit: Gelobt ſei Jeſus Chriſtus in Cwiakeit. Mein lieber Gaſt geh hinein, TB und trinf in dem Haus mein, Thue aber nit fluchen oder ſchelten, Daß mein Haus nit dinf entgelten Und nit Gott im Himmel-Neich Ueber mich und dich verhäng zugleich. Fluch mur nit in mein Haus, Oder dich puck zur Thür hinaus. Gelobt ſei Jeſus Chriſtus. Nicht nur das Haus ſelbſt, ſondern alle Neben gebäude, von den größten bis zu den kleinſten, verſah die gute alte Zeit mit Juſchriften. Sv war eine beliebte Zuſchrift für den Holzſtall : Wenn Haß und Neid brennte wie Feuer, So wäre das Holz nicht halb ſv teuer. Für den Viehſtall : Für Pferde, Schweine und Geſchirr Steht dieſes kleine Obdach hier. Der Kuhſtall erhielt gewöhnlich die beſondere Inſchrift: Kühe Machen Mühe. Und der Hühnerſtall : Ein Ei' Macht ein groß Geſchrei. Selbſt das durchſchnittlich winzigſte de» P-“- : E blieb nicht ohne einen paſſenden S VLg LiPrary 1 20 Fördre dich bald und brüte nicht lang, Einen Anderen treibt auch allhier ſein Zwang. Su (ciner 4 Zeit wonſelbſtymons Unſcheinbarſte mit ſolcher Vorliebe bedacht wurde, ließ man ſicherlich kein öffentliches Gebäude ohne Spruch. Die Juſchriſten der deutſchen Nathäuſer 3. B. würden ſchon eine eigene Sammlung für ſich bilden können. Es fei beiſpielSweije nur eine erwähnt : Recht iſt hüben zwar wie drüben ; Aber darnach ſollſt du trachten, Eigne Rechte mild zu üben Fremde Rechte ſtreng zu achten. 2 An guten Sprüchen für Schulen fehlt es auch nicht, ſo 3“ Bz: Nicht das viele Wiſſen thut's Sondern wiſſen etwas Gut's. =- Und der etwas moderner klingende : Auswendig Erlerntes Ein Lüftchen entſernt es ; Greif's imnewendig Jm Geiſt und lebendig : Dann bleibt dir'5 beſtändig. Kann man ſich für ein Armenhaus eine ſchönere Jnſchrift denken als folgende : Sie haben einen Gott und Herrn 1 nd Eines Leibes Glieder, Drum hilf den Armen und Kranken gern, Denn wir ſind alle Brüder. 1 Treffend deuten die Sprüche der Beinhänſer die Gleichheit aller Menſchen vor deim Tvode an : Sv iſt's recht! Hier liegt der Meiſter bei ſeinem Knecht.